Die Wiesn-Bilanz zur Halbzeit fällt nüchtern aus
„Maßlos“ glücklich scheinen die Besucher dieses Jahr auf dem Oktoberfest zu sein. Denn im Vergleich zu den Vorjahren wurde in den Zelten und Biergärten deutlich weniger Bier konsumiert. Der Grund hierfür ist aber nicht allein, dass die diesjährigen Besucher keine Lust mehr auf exzessives Trinken hätten. Torkelnde Männer in Lederhosen sind auch heuer an jeder Ecke anzutreffen. Nein, vielmehr sind es die geringen Besucherzahlen, die den Alkoholkonsum beeinflussen. Nur in etwa drei Millionen Gäste kamen nach Schätzungen der Festleitung bislang auf die Wiesn. Das sind 300.000 weniger als im vergangenen Jahr. Vor zwei Jahren waren es zur Halbzeit sogar 3,5 Millionen Besucher gewesen. Als Grund für den Rückgang wird das durchwachsene Wetter verantwortlich gemacht. Ist das Oktoberfest zunächst noch mit heiterem Sonnenschein in die 182. Saison gestartet, so hat sich inzwischen ein typisch wechselhaftes Herbstwetter mit kühlen Temperaturen eingestellt. Und so kommt es, dass sich viele Besucher aus dem Ausland gegen eine Reise nach München entschieden haben und lieber zuhause blieben. Für so manchen Italiener wird dabei sicherlich auch die erschwerte Anfahrt durch die Grenzkontrollen eine Rolle bei den Überlegungen gespielt haben.
Die Wiesn ist heuer wieder mehr ein Fest der Münchner und der Familien
Weniger Ausländer, mehr Münchner und Münchnerinnen lautet die Wiesn-Bilanz zur Halbzeit. Das freut vor allem diejenigen, die sich schon seit langem über die wachsende Internationalisierung des Volksfestes beschwert hatten. Die Wiesn sei schon lange kein Fest der Münchner mehr, hieß es dort schon seit langem. Dieses Jahr hat das Oktoberfest aber durchaus wieder etwas von seinem ursprünglichen und charmanten Charakter zurückgewonnen. Weniger Gedränge, mehr deutschsprachiges Publikum und vor allem mehr bayerische Gemütlichkeit. Anstatt sich durch die Menschenmengen auf der Theresienwiese zu schlängeln, lädt die Wiesn heuer zum entspannten Flanieren auf der Wirtsbudenstraße ein. Weniger grölende Italiener, mehr Väter und Mütter in Tracht, die ihre Kinder im Buggy über das Festgelände chauffieren. Auch um ins Zelt zu kommen, muss man dieses Jahr nicht lange anstehen oder auf die Gunst der Securitys hoffen. Unter der Woche geht es vor den Bierzelten erstaunlich ruhig zu. Kein Gedränge, keine Schlangen und kein Einlassstopp. So lässt sich das Volksfest in vollen Zügen genießen.
Vom Klassischen und Deftigen hin zum Ausgefallenen und Gesunden
Von der „Gemütlichen Wiesn“ profitierten bislang vor allem die Gastronomie-Betriebe. Familien konnten sich bei ihrem Spaziergang über die Wiesn Zeit lassen und dabei ausgiebig die ausgefallenen Schmankerl genießen. Immer mehr im Trend: Vegetarisches und veganes Essen. Fleischlose Speisen wie Spinat-Brezenknödel laufen Hendl und Ochsen mehr und mehr den Rang ab. Ganze fünf Ochsen weniger kamen dieses Jahr bei den Wiesn-Besuchern auf den Teller. Lediglich 55 Ochsen im Vergleich zu den 60 im Vorjahr wurden bislang verspeist. Der selbe Trend spiegelt sich auch bei den Kälbern wider. 22 Kälber stehen den 27 jungen Rindern vom vergangenen Jahr gegenüber. Umsatz wird heuer mit anderen Gerichten gemacht. Besonders beliebt sind typisch bayerische Schmankerl mit überraschenden Geschmackselementen. Vom Sauerkrautstrudel mit Mandeln und Curry bis zum Weißbier-Prosecco-Tiramisu – die Gastronomie-Betriebe haben ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und einige wirklich sehr schmackhafte Schmankerl kreiert. Der diesjährige Wiesn-Besucher möchte nicht nur einfach seinen Hunger stillen, er möchte genießen. Und so bestellt er sich eher eine knusprige Ente, als nur ein gewöhnliches Hendl auf den Teller.
Noch kein neuer Wiesn-Hit in Sicht
Weniger begeistert zeigen sich die Schausteller-Betriebe mit dem bisherigen Wiesn-Verlauf. Für eine rasante Achterbahnfahrt war es den Besuchern teils schlichtweg zu kühl. Besonders in den Abendstunden schreckten die niedrige Temperaturen viele Fans von einer Fahrt ab. Einen guten Start erlebten dafür die neuen Attraktionen auf dem diesjährigen Oktoberfest. Besonders das „Original Motodrom“ auf der Oidn Wiesn brummte und bot bis zu 20 Shows täglich. Bei den Souvenirs waren vor allem Kleinigkeiten für unter zehn Euro und Blumenkränze für die Dirndl-Frisur die Verkaufsschlager. Apropos Schlager: Ein neuer Wiesn-Hit konnte dieses Jahr noch nicht festgestellt werden. Vielmehr ist ein Revival der alten Wiesn-Klassiker zu vermelden.
Polizei besorgt – und ohne Bettwäsche
Weniger erfreulich fällt bislang die Bilanz der Polizei und Ordner aus. Fast doppelt so viele Bierkrüge wie im Vorjahr mussten bisher vom Sicherheitspersonal eingesammelt werden. Rund 50.000 Bierkrüge (2014: 28.300) versuchten die Besucher aus den Festzelten und Biergärten zu schmuggeln. Auch die sogenannten „Maßkrugschlägereien“ haben dieses Jahr stark zugenommen. Hier verzeichnet die Münchner Polizei einen Anstieg von 15 im Jahr 2014 auf nun 32 Delikte.
Bei den Fundstücken tummeln sich unter den Klassikern Ausweise, Geldbeutel und Kleidungsstücke alljährlich auch immer wieder ein paar Kuriositäten. Bis Samstagabend zählte das Wiesn Fundbüro 1.040 Fundsachen. Darunter unter anderem auch ein Gebiss, ein Rollstuhl, eine Reitpeitsche und Bettwäsche von der Polizeigewerkschaft.
Wie die Oktoberfest-Bilanz dann nach 16 Tagen aussieht, steht noch in den Sternen. Die Chancen auf einen versöhnlichen Abschluss, auch für die Schausteller, stehen aber gar nicht mal schlecht. Für den Wiesn-Endspurt sagt der Wetterdienst fast durchweg sonniges Wetter zwischen 15 und 22 Grad voraus. In diesem Sinne: „Auf geht´s zur Wiesn!“