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Saufen bis der Arzt kommt – Einblicke in die Notfallambulanz auf der Wiesn

Über die 112 geht ein Notruf ein. Ein Mann soll mit einer Alkoholvergiftung vor dem Augustiner Zelt liegen. Sofort wird die Einsatzzentrale in der Wiesn-Sanitätsstation benachrichtigt, damit diese ein Team zum Einsatzort schicken kann. Fünf Minuten bis zum Patienten – maximal. Das ist der Anspruch des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) bei Einsätzen auf der Wiesn. In den allermeisten Fällen sind die Rettungssanitäter aber deutlich schneller vor Ort. „Eineinhalb bis vier Minuten“, gibt Jürgen Terstappen, Kreisbereitschaftsleiter des Münchner Roten Kreuzes, als den üblichen Zeitbedarf zur Einsatzstelle an.
 
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Gelbe Wagerl für den schnellen Einsatz

Doch wie ist das möglich? Wer schon einmal selbst auf dem Oktoberfest war, weiß wie hektisch, durcheinander und eng es auf der Theresienwiese zu gehen kann. Besonders an den Wochenenden ist auf den Straßen zwischen den Zelten oft kaum ein Durchkommen. Erst recht nicht, wenn man gegen den Strom anlaufen muss. Hier ist an ein Anrücken mit dem Rettungswagen natürlich nicht zu denken. Deshalb setzt das BRK bei seinen Einsätzen sogenannte „Gelbe Wagerl“ als mobile Krankentransportmittel ein. Patienten, welche die Sanitätsstation nicht mehr aus eigener Kraft erreichen können, können so schnell von A nach B geschoben werden. Die Wagerl sind schmal und wendig. So ist auch an viel besuchten Tagen ein schnelles Vorankommen gewährleistet. Der gelbe Aufsatz schützt die Insassen dabei vor neugierigen Blicken durch andere Wiesn-Besucher. Immer mit dabei in den „Wagerln“ – eine komplette Rettungsausrüstung, die auch der eines normalen Krankenwagens entspricht. Insgesamt 2.119-mal mussten im vergangenen Jahr Sanitäter mit einem gelben Wagerl ausrücken.

Kochsalz, Zucker und ein Nickerchen – manchmal auch ein Spuckerchen

Der Mann ist inzwischen von einem der elf Rettungsteams zur Sanitätsstation im Oktoberfest Servicezentrum transportiert worden. Dort angekommen wird er erst einmal von einem Sanitäter unter die Lupe genommen. Das sogenannte Sichtungsteam untersucht an den Wochenenden die eintreffenden Patienten und koordiniert diese dann weiter. Platzwunden zum Chirurgen, Alkoholvergiftungen in den Beobachtungsraum. Unter der Woche ist weniger los. Da werden die eintreffenden Patienten dann meist ohne vorherige Sichtung zu den jeweiligen Spezialisten weitergeleitet. Unser alkoholisiertes Beispiel wird in den Überwachungsraum gebracht. Dort darf er auf einer schmalen Liege Platz nehmen, die nur so hoch ist, dass er sich bei einem Sturz von der Liegefläche nicht ernsthaft weh tun kann. Unter ihm: Ein Boden der pflegeleicht und unkompliziert zu wischen ist. Denn Erbrochenes gehört bei den Helfern in der Sanitätsstation zum Alltag. Eine Kochsalzlösung, ein wenig Zucker und zwei bis drei Stunden später geht es dann für die meisten Patienten wieder zurück ins wilde Oktoberfesttreiben. Was die Besucher daraus machen, ist ihnen selbst überlassen. Manche sieht man auch wieder.
 
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Heikles und Kurioses von der Wiesn Sanitätsstation

Doch wer jetzt denkt, dass es die Sanitäter und Ärzte in der Notfallambulanz nur mit Alkoholvergiftungen zu tun haben, der irrt gewaltig. „Bierleichen machen nur 5 – 10 Prozent der Patienten bei uns aus“, erklärt Terstappen. Gebrochene Füße, Schnittwunden, aber auch Schlaganfälle gehören ebenso zu den Einsätzen der Helfer. Mittendrin in der Wiesn-Hektik: Auch immer mal wieder der eine oder andere kuriose Fall. So wurde das Team der Sanitätsstation auch schon mal um Hilfe gebeten, die Lippenstiftflecken einer fremden Dame zu entfernen. Häufiger als solche Einzelfälle, sind junge Damen, die mit der Bitte um ein Blasenpflaster in die Servicestelle des BRK kommen. Zu wirklich heiklen Situationen kommt es bei den 7.000 – 12.000 Patienten pro Oktoberfest aber Gott sei Dank nur vereinzelt. „Der durchschnittliche Wiesn-Besucher ist jung und gesund. Da wird es nur selten wirklich lebensbedrohlich“, schildert Terstappen. Kommt doch einmal ein Patient in bedrohlichem Zustand zu den Wiesn-Ärzten, können auch kleinere Not-OPs in der Sanitätsstation durchgeführt werden. Sofern es der Zustand des Patienten ermöglicht, geht es mit dem Rettungswagen so schnell wie möglich weiter in die nächstgelegene Klinik.

Beeindruckendes Engagement der Helfer

In aller Regel geht es bei den Einsätzen auf der Wiesn aber nicht immer um „Blaulicht, Action, Tod“, wie Dr. Ulrich Hölzenbein, Chefarzt der Sanitätsstation, beschwichtigt. Stressig sei die Arbeit während der Wiesn aber schon. Zwölf Stunden Schichten, 500 Patienten am Tag und nur Platz für elf Ärzte an Spitzentagen – das kann schon mal an die Substanz gehen. Dennoch macht Hölzenbein und seinen Kollegen die Arbeit viel Spaß. „Wir hatten mehr Anfragen, als Stellen“, erklärt Hölzenbein das große Interesse an einer Tätigkeit in der Wiesn Sanitätsstation. Das nette Zusammenkommen, die Möglichkeit voneinander zu lernen und die Stimmung seien Grund genug für das Engagement in der Notfallfallambulanz. Und dieser Einsatz ist wirklich aller Ehren wert. Denn alle Helfer, vom Rettungssanitäter bis zum Chirurg, arbeiten ehrenamtlich für das BRK und müssen für die Schichten auf dem Oktoberfest extra Urlaub nehmen.

Im Sinne der ehrenamtlichen Helfer und zum Wohl der diesjährigen Wiesn-Besucher hoffen wir natürlich alle auf eine „Gesunde Wiesn“ mit möglichst wenigen „Gelbe Wagerl“-Einsätzen. Und falls doch einmal der Schuh drücken sollte, dann hoffentlich nur wegen einer kleinen Blase. Apropos Schuhwerk: Dr. Ulrich Hölzenbein empfiehlt den Damen modische, aber feste Schuhbekleidung. Schnittwunden an den Füßen der Wiesn Madl hat der Chefarzt schon genug gesehen.



Statistiken zu den Wiesn-Sanitätsstationen

2011201220132014
Patienten10.1918.1597.3247.892
(davon)
Versorgungen
4.6544.1233.5363.617
(davon)
Hilfeleistungen
5.5374.0363.7884.275
Alkoholvergiftungen745739629680
Versorgung kleiner Wunden780727663644
Gelbe-Wagerl-Einsätze2.3742.2462.2182.119
Abtransporte in Krankenhäuser1.2281.318904823
Schichten der Helfer und Ärzte2.1342.0222.0952.111
Besucher in Millionen
(Oktoberfest)
6,96,46,46,3


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